Kunst/Kultur, Restaurant/Essen

Zum Mittag Klassik: Zu Gast beim Lunchkonzert in der Philharmonie

1. Juni 2016
lunchkonzert-philharmonie-hauptbild

Wer hat eigentlich gesagt, dass man in der Mittagspause immer nur in die Kantine rennen darf? Die Musiker der Philharmonie sicherlich nicht. Jeden Dienstag um 13:00 spielen sie im Foyer der Philharmonie Berlin auf zum Lunchkonzert – umsonst für die Zuhörer, unbezahlt für sie selbst. Und auch für das leibliche Wohl ist theoretisch gesorgt: Verschiedene Mittagsgerichte lassen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ein Pausenbericht.

Als ich endlich den Eingang der Philharmonie nahe dem Potsdamer Platz finde, bin ich schon halb zerflossen: Natürlich war ich genau falsch um das Gebäude herumgelaufen und das schwüle Wetter in Kombination mit meiner langen Hose ließ nur noch einen Gedanken zu: Klimaanlage! Ich hatte mich extra gegen allzu sommerliche Kleidung entschieden, denn immerhin wollte ich mir klassische Musik anhören – meine Oma wäre stolz auf mich. Doch diese Demonstration guter Erziehung war absolut überflüssig, stelle ich beim Betreten des Gebäudes mit den vielen spitzen Ecken im Dach fest: Die meisten der wirklich zahlreichen Gäste sind in Flipflops und Tanktop zum Lunchkonzert erschienen. Die waren offenbar alle besser informiert als ich.

Zwei Leute sitzen auf dem Boden, hinter ihnen steht eine Bierflasche

Mit nem Bierchen auf dem Boden: Steif sind die Lunchkonzerte wirklich nicht | Quelle: pure_penguin

Ich muss zugeben, dass ich den legeren Charakter der Lunchkonzerte unterschätzt habe. Es gibt zwar Stühle im Foyer der Philharmonie, aber ihre Zahl dürfte nicht über 150 liegen. Sie sind ausnahmslos besetzt – genauso wie der Boden um die Stühle herum, die Treppen und die Geländer des oberen Stockwerks. Selbst auf dem Tresen der Garderobe sitzen Mitfünfziger und warten entspannt auf den Start des Konzerts. Niemand scheint sich etwas daraus zu machen, dass er auf dem kalten Steinboden sitzt (eigene Sitzgelegenheiten mitbringen ist verboten). Manche haben sich sogar ihre Tasche unter den Kopf gelegt und in Parklage begeben. Und auch ich freue mich über den kalten Untergrund, denn eine Klimaanlage scheint es zwar zu geben, doch rund 1000 warme Menschen sind ihr offenbar zu viel.

Kein Lunchkonzert ohne Lunch?

Ich schlendere durch die Menge und suche nach dem Essen. Stattdessen finde ich eine Speisekarte, auf der allerlei leckere Gerichte stehen: Spargelcremesuppe, Kalbsgeschnetzeltes mit Kapern, Crêpes mit Joghurt und Mangopüree. Den nehme ich, entscheide ich, und suche weiter. Ganz hinten, hinter einer Treppe, werde ich fündig. Doch leider zu spät: Essen wird nur bis 10 Minuten vor Konzertbeginn ausgegeben. Ich bin 9 Minuten vorher da.

Die Speisekarte vom Lunchkonzert

Die Speisekarte vom 31. Mai 2016 – verführerisch!

Es wird für mich also ein Lunchkonzert ohne Lunch. Auf der einen Seite finde ich diese Regelung verständlich, denn das Klappern des Geschirrs würde vermutlich wirklich stören. Doch auf der anderen Seite passt das Konzept so nicht mehr in eine normale Mittagspause. Wenn man 20 Minuten für Essen bestellen, bezahlen und aufessen rechnet, dann muss man sich gut eine halbe Stunde vorher im Foyer befinden. Das Lunchkonzert selber geht noch einmal rund eine Stunde – von 1,5 Stunden Mittagspause können die meisten allerdings nur träumen.

Dann werden viele wahrscheinlich schon zwischendurch gehen, überlege ich und hoffe auf das Gegenteil. Besonders andächtig wäre das ja auch nicht. Und doch kommt es so: Als das Konzert beginnt (an diesem Tag Bratsche mit Akustikgitarre), lauschen die meisten zwar aufmerksam und ruhig, doch irgendwer wandert immer durch die Reihen. Hinzu kommt das ca. einjährige Kind, das pausenlos plappert und quietscht, was die Mutter allerdings nicht dazu ermuntert, das Foyer zu verlassen. Und direkt neben mir zeigt eine junge Frau ihrem Begleiter, wie frau im Takt ihre Brüste schütteln kann. Da hätte ich auch essen können, finde ich.

Tipps für das Lunchkonzert

1. Kommt früh: Auf ihrer Webseite erklärt die Philharmonie, dass leider nur 1500 Gäste im Foyer Platz hätten. Mit einer niedlichen Spielchipidee will man die Gästezahl überwachen: Jeder bekommt einen roten Chip in die Hand gedrückt, wie man ihn aus Gesellschaftsspielen kennt, um ihn 3 Meter weiter unter den wachsamen Augen eines Angestellten wieder abzugeben. Selbst an diesem warmen Frühsommertag dürften fast alle Chips verbraucht worden sein.

2. Bringt Zeit mit: Wenn ihr wirklich in den Genuss von Speis UND Musik kommen wollt, dann müsst ihr mindestens 1,5 Stunden einplanen. Die Preise für die Gerichte sind mit meist 5,00 € bis 8,50 € angemessen bis preiswert, obwohl ich nichts zum Umfang sagen kann.

3. Erwartet keine andächtige Klassikstunde: Die gebotenen Stücke waren wunderschön und die beiden Musiker virtuos. Ein Hineinsinken in die Musik, wie man es sonst von klassischen Konzerten kennt, war hier aufgrund der Nebengeräusche jedoch nicht möglich. (Obwohl ich fairerweise dazusagen muss, dass direkt neben der Mutter mit dem Einjährigen eine junge Frau meditierte.)

Mein Fazit

Wenn man weiß, was einen erwartet, ist das Lunchkonzert in der Philharmonie definitiv einen Besuch wert. Es bietet niveauvolle Unterhaltung und, bei entsprechend pünktlichem Erscheinen, auch verführerisch klingendes Essen. Kommt mit Freunden, kümmert euch um keinen Dresscode und macht euch eine schöne verlängerte Mittagspause!

Ein hellbraunes Gebäude mit Spitzdach vor blauem Himmel

Die Philharmonie Berlin von außen | Quelle: alfheidurerla

 


Kurzinfo

Lunchkonzert:

  • Jeden Dienstag um 13:00 im Foyer der Philharmonie Berlin
  • Jedoch nur während der Saison (grob: Anfang September bis Mitte Juni)!
  • Eintritt frei. Spenden für UNICEF sind willkommen.
  • Der Eingang liegt an der Scharounstraße
  • Mehr Infos über die Website

 

 


 

Autor-bildVerena Metzler ist begeisterte Wahlberlinerin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Neuberlinern und Touristen das Berlin zu zeigen, das sich abseits der ausgetretenen Touristenpfade verbirgt. Hauptberuflich arbeitet sie als freie Lektorin und Texterin.

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