Morgens halb zehn in Deutschland: Die Nation hat gut gefrühstückt und hängt im ersten Tief des Tages. Aber lecker wars: Etwas Wurst, etwas Käse, das Marmeladebrötchen durfte nicht fehlen und der leicht gesüßte Kaffee sowieso nicht. Nun noch schnell einen Energieriegel hinterher, sonst werden die Augen allzu glasig.
Doch nicht bei allen sieht der Morgen so aus: Eine immer größer werdende Zahl verzichtet gänzlich auf industriell verarbeiteten Zucker und verlässt sich stattdessen auf die Energie, die natürlicherweise in frischen Lebensmitteln enthalten ist. Eine von ihnen ist My Dung Nguyen, kurz Mio. Die Deutsche mit vietnamesischen Wurzeln arbeitet zwar vollzeit für WELABS, hat aber trotzdem vor eineinhalb Jahren einen Podcast ins Leben gerufen, der auf dem Weg ist, die bekannteste deutschsprachige Plattform rund um ein zuckerfreies Leben zu werden. Wie sie die Energie hierfür aufbringen konnte und warum sie das Wort Missionarin nicht mag, erfahrt ihr in unserer Januarausgabe des Hauptstadtgesprächs. (Foto: Mio von freemii)
Elevator Pitch: Beschreibe dich in 30 Sekunden
Aufgeschlossen, zuckerfrei, Powerfrau, Entrepreneurin, reiselustig, möchte die Welt zu einem besseren Ort machen.
Seit wann bist du in Berlin?
Das ist jetzt etwas schwieriger, denn ich bin digitale Nomadin. Seit September 2017 sind mein Freund und ich fast immer auf Reisen. Berlin ist allerdings unsere Homebase. Ursprünglich komme ich aus Baden-Württemberg, aber Berlin zieht uns immer wieder an. Vor allem im Sommer sind wir gerne auch mal länger hier.
Welcher ist dein Lieblingskiez?
Mit Berlin halte ich es wie mit der Welt: Ich bin generell entdeckungsfreudig und versteife mich nicht auf einen Ort oder eben einen Kiez. Deshalb fahre ich auch immer mal wieder mit einem Bus oder einer Tram einfach querbeet, um mich umzusehen. Am ehesten wie „mein Kiez“ fühlt sich aber die Gegend um den Moritzplatz an, denn da habe ich eine Zeit gewohnt.
Mit dem Moritzplatz verbinde ich auch eine Geschichte, die für mich den Charakter von Berlin widerspiegelt: Ich hatte am Moritzplatz meine EC-Karte verloren und als ich sie sperren lassen wollte, hatte eine Frau sie bereits an meine Heimsparkasse nach Baden-Württemberg geschickt. Das fand ich so toll, dass ich zu ihrer Adresse gefahren bin und mich mit ein paar Leckereien bei ihr bedankt habe. Ein paar Tage später habe ich selber eine EC-Karte gefunden. Ich habe den Namen auf Facebook gesucht und konnte so den Besitzer ausfindig machen. Wir haben uns dann auf einen Kaffee getroffen und ich habe ihm seine Karte zurückgegeben. Für mich hat das gezeigt: Berlin ist zwar total groß und auf den ersten Blick unpersönlich, aber auf den zweiten Blick sind die Menschen hier supernett, aufgeschlossen und hilfsbereit.
Was machst du in deiner Freizeit?
Reisen natürlich, lesen (jeden Tag 20 Minuten), Yoga und Meditation. Wenn ich in meiner Heimat bin, gehen wir gerne bowlen, das ist bei uns eine Familientradition. Und ansonsten arbeite ich in meiner Freizeit an meinem Herzensprojekt freemii und dem dazugehörigen Podcast. (auf iTunes und Spotify verfügbar)
Worum genau geht es bei freemii?
freemii ist eine Plattform für ein Leben ohne weißen Zucker. Ich interviewe regelmäßig Menschen, die zuckerfrei leben und von ihren Erfahrungen berichten. Nebenbei kreiere ich aber auch zuckerfreie Rezepte und gebe Buch- und Einkaufstipps. Meine Vision ist es, die weltweit größte und bekannteste Plattform zu diesem Thema aufzubauen, auf der ganz normale Personen zu Wort kommen. Ich möchte den Menschen damit helfen, sich zu informieren und austauschen zu können, damit die Hemmschwellen sinken, auch selber einmal den Zucker wegzulassen oder zu reduzieren. Dabei ist es mir aber wichtig, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln oder jeden zu verteufeln, der nicht auf Zucker verzichten möchte. Mein Podcast soll vielmehr eine Anregung sein, eine Inspiration.
Wie bist du auf die Idee gekommen?
Vor mehr als drei Jahren hat mein Freund für sechs Wochen eine Paleo-Diät gemacht. Paleo ist auch als Steinzeitdiät bekannt, das heißt, man lässt alle industriell gefertigten Lebensmittel weg. Und dazu gehört natürlich auch weißer Zucker. Er hat mich damals gebeten, ihn zu unterstützen, und ich habe es gemacht. Und dabei ist mir aufgefallen, dass ich plötzlich wesentlich mehr Energie hatte als vorher. Vor der Umstellung war mein Zuckerkonsum ziemlich hoch: Nach dem Essen brauchte ich zum Beispiel einen Kaffee mit viel Zucker und einen Schokoriegel, um arbeiten zu können. Während der Ernährungsumstellung ließ ich das weg und hatte trotzdem mehr Energie als vorher, auch nach den Mahlzeiten. Auch mein Schlaf war tiefer, meine Haut besser. Kurz: Es ging mir so gut wie nie zuvor. Und natürlich wollte ich wissen, woher das kam. Zucker war einer der Verdächtigen und so habe ich recherchiert.
Mit dem Wissen aus Büchern und Webseiten habe ich dann ein Experiment gestartet: Ich habe mich wieder so ernährt wie vorher, nur den Zucker habe ich weiterhin weggelassen. Und tatsächlich blieben die positiven Effekte bestehen. Damals habe ich mich gefragt: Wenn Zucker so viele negative Auswirkungen hat, warum spricht dann kaum jemand darüber? Die Diskussionen um eine Zuckersteuer zum Beispiel waren damals ja allenfalls Ideen von Fachkongressen. Und da ich ohnehin auf der Suche nach einem eigenen Projekt neben meiner Arbeit war, verfestigte sich langsam die Idee in mir, eine Plattform für ein zuckerfreies Leben zu schaffen.
Was willst du damit erreichen?
Eine gesunde und bewusste Ernährung setzt ganz neue Energien frei, von denen wir gar nicht wussten, dass sie in uns schlummern. Ich habe das ja selbst erlebt. Und dann passiert etwas Wunderbares: Wer plötzlich mehr Energie hat, packt sein Leben ganz neu an. Vielleicht stört uns etwas, das wir noch nicht geändert haben, weil wir neben unserem Alltag einfach keine Kraft mehr dafür hatten. Oder wir wollen seit Jahren etwas auf die Beine stellen, aber die Umsetzung scheitert an unserer Müdigkeit. Mit einem zuckerfreien Leben kann man Energiepotenziale freisetzen, die letzten Endes zu mehr Lebensfreude, Kreativität und Selbstverwirklichung führen.
Wo stehst du gerade mit freemii?
Momentan staune ich darüber, wie sehr die Reichweite zunimmt. Ich bekomme Kooperations- und Vortragsanfragen, durfte bei Stories of Success über meine Erfahrungen aus der Gründungszeit sprechen und freue mich täglich über die vielen Reaktionen und die Aufmerksamkeit, die meinem Podcast und somit der Thematik zuteil werden. Im Winter hatte ich einen digitalen Adventskalender auf Facebook, der jeden Tag eine andere Anregung enthielt . Bald wird es außerdem einen Onlinekurs für eine intensive Unterstützung im Umstellungsprozess geben und auch der Podcast soll ausgeweitet werden. Zu Beginn habe ich mich bewusst darauf konzentriert, ganz normale Menschen zu interviewen. Jetzt möchte ich das aber ein wenig erweitern und vielleicht auch mal jemanden von Foodwatch oder Politiker befragen und Gegenmeinungen zu Wort kommen lassen.
Wo kann man mehr über dich und freemii erfahren?
Auf Instagram, Facebook, iTunes, Spotify, Stitcher und natürlich auf der Website freemii.de
Hast du einen Traum, privat oder beruflich?
Mein Traum ist es, Menschen dabei zu helfen, glücklicher zu sein, Energien freizulegen und ihr Leben anzupacken. Mit freemii habe ich einen Weg gefunden, diesen privaten Traum auch beruflich umzusetzen.
Welchen Berliner Ort kannst du uneingeschränkt empfehlen?
Sonntags ganz klar den Mauerpark. Wer Berlins ureigene Energie spüren möchte, sollte hierher kommen und den ganzen Tag bleiben. Ansonsten das Simply Keto (ein zuckerfreies Café), Kiez Falafel in Mitte, The Visit in Kreuzberg (bester Matcha Latte, den ich in Berlin je getrunken habe) und das HERMANN‘S in Mitte zum Arbeiten.
Vielen Dank für das tolle Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Verena Metzler ist begeisterte Wahlberlinerin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Neuberlinern und Touristen das Berlin zu zeigen, das sich abseits der ausgetretenen Touristenpfade verbirgt. Hauptberuflich arbeitet sie als freie Lektorin und Texterin.
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