Wir haben euch ja bereits von Berliner Bars mit Türklingel berichtet. Heute folgt ein Park: Der Comenius Garten in Neukölln kann nicht nur mit Obstbäumen und einem kleinen Tümpel punkten, sondern auch mit einer Art Klingel. Neben dem Tor ist ein silberner Knopf, der gedrückt die Türsperre freigibt – und, zumindest laut Aussage eines Besuchers, als eine Art Unterschrift gilt, dass der Neuankömmling die Gartenregeln zur Kenntnis genommen hat. Ein Parkbesuch mit Zustandekommen eines Vertrages also. Kurios? Na klar. Berlin, Baby.
Obstbäume und Geschichte
Wir waren nicht die einzigen an diesem Nachmittag, die an der Knopfhürde erst einmal scheiterten. Wer rechnet schon mit einem Parktor mit Einlasser? Aber zum Glück ist immer ein anderer Besucher in der Nähe, denn der Comenius Garten ist eigentlich eher klein. Er liegt auf dem Gelände der Richardstraße 35 mitten im ehemaligen Böhmischen Dorf. Dasselbe Böhmische Dorf übrigens, das im 18. und 19. Jahrhundert den Namen Böhmisch-Rixdorf hatte und das zusammen mit seinem deutschen Pendant 1912 in Neukölln umbenannt wurde, um dem Partymeilenruf des Viertels (= In Rixdorf ist Musike) so den Nährboden zu entziehen. Ha ha!
Doch Partymeile hin oder her: Im Comenius Garten lässt es sich chillen. Die Hektik der Karl-Marx-Straße ist nur wenige hundert Meter entfernt, doch wie so oft in Berlin merkt man davon schon wenige Schritte abseits der Hauptstraße nichts mehr. Und auch der Garten selbst gibt alles, um echtes Landgefühl aufkommen zu lassen. Direkt hinter dem Haupteingang beginnt eine Kräuter-Langgraswiese, auf der verschiedene Obstbäume stehen. Die Wiese darf hier zwar nicht betreten werden, da sie ein sorgsam gehegtes Biotop darstellt, doch auch im hinteren Teil des Gartens lachen reife Birnen und Äpfel von den Bäumen. Hier könnt ihr euch nach Herzenslust verbeißen!
Ein Schotterweg führt an Bänken unter Bäumen und einer Laube vorbei. Diese Laube symbolisiert das Seelenparadies und dieser Begriff wiederum beschreibt die sechste Schulklasse in der Lehre des Namenspatrons Johann Amos Comenius (1592 – 1670). Auch eine Statue des tschechischen Pädagogen und Philosophen ist im Park zu finden. Sie wurde 1992 von der damaligen Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik gestiftet als Dank, dass Preußen sich im 18. Jahrhundert der böhmischen Glaubensflüchtlinge angenommen und ihnen mit dem Böhmischen Dorf einen neuen Siedlungsraum gegeben hatte.
Erntehelfer gesucht
Wenn ihr durch den Garten schlendert mit seinen schönen Büschen, Bäumen und Blumen, werdet ihr von all diesen geschichtlichen Bezügen jedoch nichts mitbekommen. Die Trägerstiftung des Gartens verzichtete bewusst auf Hinweisschilder, um den Comenius Garten einfach Garten sein zu lassen. Bei Interesse werden jedoch Führungen angeboten und auch die Flora und Fauna kann bei einer geführten Tour genauer erkundet werden – im Herbst könnt ihr euch sogar als Erntehelfer betätigen (die Termine hängen am Tor aus).
Wir streifen weiter durch den Park, finden einen Zugang zu einem stark frequentierten Spielplatz, einen herumstreunenden Kater (wir nennen ihn Gartenmaunzer) und einen kleinen Tümpel im hinteren Teil des Gartens. Ein sauberer Holzsteg führt darüber. Rechts haben sich einige junge Familien an einem kleinen Wasserbasin niedergelassen und genießen die spätsommerliche Planscherei. Schließlich ist ein Sommergarten ohne Planschbecken nur halb so schön – trotz Obstbäumen und Türklingel.
Kurzinfo
Comenius Garten
- Mo. – So. 12:30 – 20:00
- Hunde nicht erlaubt
- Mehr Infos über die Kontaktfunktion der Webseite des Gartens
Verena Metzler ist begeisterte Wahlberlinerin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Neuberlinern und Touristen das Berlin zu zeigen, das sich abseits der ausgetretenen Touristenpfade verbirgt. Hauptberuflich arbeitet sie als freie Lektorin und Texterin.
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